Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

10.000 Jahre Sonderfilm – Ein Überblick

Seit Ende der 90er Jahre mache ich Kurzfilme. Das, inklusive der Filme, sollte eigentlich notwendige Information genug sein, aber da ich zumindest nicht ausschließen kann, dass es Leute gibt, denen ein solcher biographischer Minimalismus nicht genügt, habe ich diesen ausschweifenden, autobiographischen Überblick geschrieben.

1997-1999 – Blöde Comics

Meine erste Regiearbeit überhaupt war Mitte der Neunziger eine Bibelverfilmung, allerdings als Kurzfilm und gedacht für die Religionsklasse meines Bruders Moritz (der zusammen mit einem Freund auch alle Hauptrollen spielte). Das Werk erging sich hauptsächlich in schäbigen Witzen über Leprakranke (Splatter-Effekte inklusive), die von einer Jesusgestalt mit Pumuckelperücke geheilt wurden, und ist gnädigerweise auf irgendeiner Festplatte verschollen.

Dann kam erst mal nichts, dann kam Die Abenteuer von Hnni und Plnf. Das waren ursprünglich kritzelige Strichmännchencomics, mit deren Herstellung mein Schulfreund Benjamin und ich ein paar der dämlicheren Schulstunden rumgekriegt haben (Benjamin hat die Dinger noch irgendwo und verspricht mir seit Jahren, sie mal rauszusuchen). Ich habe zu der Zeit jede freie Minute im Kino oder vor irgendeinem Videorecorder verbracht, also beschlossen wir irgendwann Ende ’97 den ganzen Flachfug zu verfilmen. Weil immer mal wieder irgendwer keine Zeit hatte, zogen sich die Dreharbeiten ziemlich in die Länge, und als das Werk dann Anfang (?) ’98 abgedreht war, lag es erst mal noch anderthalb Jahre auf Halde, weil Abi und Konsorten dazwischen kamen. Die Premiere gab es Anfang 2000 auf einem achtzehnten Geburtstag im Münsterland vor einem guten Dutzend Zuschauer, die das Werk angemessen zu goutieren wussten.

2000/2001 – Punkrock als Film

Während Moritz noch an den Effekten für Hnni und Plnf hobelte, wurde andernorts schon das Drehbuch für den nächsten Kracher runtergerockt. Trip sollte eigentlich in zwei oder drei Wochen abgedreht sein, letztendlich hab ich noch eine Woche vor der Premiere Einstellungen nachgedreht – mehr als ein Jahr später. Ich bin trotzdem noch heute stolz auf die Leistung, eine Schar von sehr beschäftigten und gegen Ende eher desinteressierten Menschen mehrfach zur selben Zeit an denselben Drehort gelotst zu haben. Wer das schon mal versucht hat, wird die lange Produktionszeit mit ganz anderen Augen sehen. Trip war in jeder Hinsicht ein Quantensprung (Wir hatten auf einmal ein Drehbuch mit Dialogen und allem, was so dazu gehört und, gute Güte, sogar ein Stativ), und obwohl der Film handlungsmäßig eigentlich überhaupt keinen Sinn ergibt (genauso wie der Titel), wurde der Streifen bei seiner Uraufführung im Sommer 2001 vor knapp 80 Punks und Sympathisanten in Oberhausen frenetisch bejubelt.

Noch mitten in der Trip-Produktion wurde ich von zwei Typen angequatscht, die von irgendwoher meine Telefonnummer hatten und sich von mir Videoclips für ein experimentelles Theaterstück wünschten. Die „Drehbücher“, die ich ihnen daraufhin geschrieben hatte, waren eigentlich eher als Gag gemeint, wurden von den beiden aber bizarrerweise begeistert durchgewunken. Die Clips waren schnell abgedreht; nachdem sich das Theaterprojekt der beiden Gestalten aber in Wohlgefallen aufgelöst hatte, verschwand das Material für die nächsten drei Jahre in der Schublade.

2002 – Knallharte Filmemacher

Nach Trip ging’s weiter raketenmäßig aufwärts: Nüchtern eingeschlafen, betrunken aufgewacht! war 2002 der erste meiner Filme, der komplett digital gedreht und geschnitten wurde und außerdem der erste mit Sonderfilm-Logo – Die vorherigen Filme liefen unter wechselnden Namen, die sich auch während der Produktion diverse Male änderten (und von denen mir „Ein dämlicher Affe Entertainment“, benannt nach dem im damaligen Logo abgebildeten Stofftieraffen, im Nachhinein am besten gefällt) – UND außerdem der erste mit richtigen, echten Schauspielern. Zumindest einem, nämlich Axel Stein, der so nett war seine Karriere für zwei Tage Karriere sein zu lassen und sich vor unseren Kameras die Ehre zu geben. Gedreht wurde in meinem damaligen winzigen Studierendenwohnheimzimmer (O-Ton Axel: „Aber du wohnst hier nicht…“ (unsichere Pause) „Oder?“), das sich im Zuge der Dreharbeiten einen charakteristischen Geruch aneignete, der aufgrund der unzureichenden Belüftungseinrichtungen des Gebäudes auch Wochen später noch nicht völlig verflogen war. Aus dieser Zeit stammt der eiserne Schwur, nie wieder in meiner Behausung zu drehen, und wenn doch, dann wenigstens ohne literweise Himbeersirup und kilowattstarke Beleuchtung.

Mir ist übrigens immer noch peinlich, dass mir auf Axels beiläufige Frage in die Runde, ob schon jemand seinen damals aktuellen Film Knallharte Jungs gesehen habe, ein „Der soll ja grottenschlecht sein“ herausgerutscht ist, aber selbst wenn er es mir übel genommen haben sollte, war er Profi genug, sich das nicht anmerken zu lassen.

Kurz nach der Nüchtern eingeschlafen…-Premiere kam dann Das Stahlwerkmassaker schlägt zurück an die Reihe, die Fortsetzung zu einem Slasherkurzfilm, den Reinhard Klinksiek schon 1997 gedreht hatte. Reinhard hatte den Film bereits halb fertig, aber da ihm während des Drehs ein paar Darsteller abhanden gekommen waren und dadurch ein paar dicke Lücken in der Handlung klafften, ergänzte ich den filmischen Torso an zwei oder drei Drehwochenenden mit reichlich sinnfreiem Material. Blöderweise war’s das dann auch erstmal.

2003-2005 – Die Dunklen Jahre™

Nach der erfolgten Rückkehr des Stahlwerkmassakers entpuppte sich 2003 nämlich filmemachertechnisch als nicht so super, unter anderem aufgrund haarsträubenden Zeitmangels meinerseits. Noch im Laufe des Jahres hatte ich mir immerhin den ersten Stahlwerkmassaker-Film vorgenommen, den Reinhard schon 1997 gedreht hatte, der aber – und da waren wir uns zum Glück einig – nicht wirklich einem Publikum zuzumuten war. Wenn wir den mal bei Kurzfilmabenden gezeigt hatten, passierte das nie ohne warnende Worte im Vorfeld, auch weil sich, von auf den Film bezogenen Vorbehalten einmal abgesehen, das letzte überlebende Tape in bedauerlichem Zustand befand. Nichtsdestotrotz war das der erste Teil der Geschichte, und weil trotz der eigentlichen Nichtverfügbarkeit des Films ein jeder bequem in den zweiten Teil einsteigen können sollte, wurde aus ein paar Standfotos nebst Untertiteln in bester Bravo-Tradition ein Fotoroman. Ein Film war das allerdings (noch) nicht.

Aus Ermangelung neuen Material landeten im Jahr darauf zwei der oben erwähnten Theaterclips notdürftig zusammengeschnitten unter dem Namen Die Geschichte der Kommunikation im Netz, im November wurde Sblätter abgedreht (dessen Postproduktion sich aber blöderweise noch zwei Jahre hinziehen sollte – Details auf der Seite zum Film). Dass so wenig passiert ist, lag aber auch daran, dass in dieser Zeit viel schiefging: Nach langer Vorbereitung, wenigen Drehtagen und endlosen finanziellen wie organisatorischen Problemen stampfte Reinhard sein geplantes Epos Stahlwerk 3 ein, bei dem weite Teile des Drehbuchs auf meine Kappe gingen, es gab eine von Sonderfilm protegierte Veranstaltungsreihe in Oberhausen („Die erregendsten Kurzfilme der Welt“), die aber nach gutem Start und trotz viel Werbung und Presse schon ein paar Monate später im Sande verlief und schließlich auch einen geplanten Sonderkurzfilm, der nach langwieriger Vorproduktion aus zig verschiedenen Gründen dann doch nicht gedreht wurde.

2006/2007 – Ich gegen 3D

Spezialeffekte of eternal doom

Ende 2005 begannen die Vorbereitungen für das bislang größte und teuerste Sondermachwerk, und zwar in HD und 3D. Der Dreh fraß den ganzen nächsten Sommer auf, und in einer Drehpause Ende ’06 wurde endlich Sblätter fertig – nach gut & gerne zwei Jahren. Hinsichtlich Verzögerungen schlug (und schlägt) der 3D-Film in dieselbe Kerbe: Der ist zwar abgedreht, aber weil sich die Produktion der Effekte als deutlich komplexer als gedacht herausgestellt hat, ist das Ding bis heute nicht fertig. Wird es aber noch.

Nehmt dies, Schnöselkünstler!

Da sich das Jahr 2007 im Dezember naturgegebenermaßen dem Ende zuneigte und eben aber nicht ohne wenigstens irgendwas Neues ausklingen sollte, hab ich dann noch schnell Ich gegen den Erdkern runtergekurbelt, an wenigen Vor- und Nachmittagen, ohne jede Ausrüstung und für unter 50 Euro. Die Ironie wollte es, dass ausgerechnet dieser Film, in den ich nur einen Bruchteil der Zeit gesteckt habe, die ich sonst für Filmprojekte aufwende, ein halbes Jahr später beim Internationalen Videofestival Bochum einen Preis abgeräumt hat.

2008/2009 – Das Doktorbertmassaker

Studiomassaker: Michael Beyer beim Sprechen

Im Frühjahr 2008 tauchte bei einer ausgedehnten Aufräumaktion in Reinhards Wohnung ein Teil des Stahlwerkmassaker-Rohmaterials nebst der allerersten, halbstündigen Schnittfassung wieder auf. Ich habe mir die Tapes unter den Nagel gerissen, bevor er sie wieder verstecken konnte, und daraus eine neue Version geschnitten – zu Reinhards Bedauern, der sich hinsichtlich des Films eher peinlich berührt zeigte („Schneid‘ den auf acht Minuten runter und gut ist. Wobei, schneid‘ besser runter auf fünf.“). Weil absehbar war, dass der Film in einer Kurzfassung nicht weniger doof sein würde, habe ich den Text des Film-Fotocomics (der ja damals ohnehin nur als Provisorium gedacht war) kannibalisiert und – stark überarbeitet – auf die Tonspur sprechen lassen. Lohn der Mühe war unter anderem ein Review in der Splatting Image, in dem der Film zum „besten Amateursplatterfilm“ erklärt wurde – und das immerhin von einer Zeitschrift, die sich seit fast zwanzig Jahren mit solchem Schlonz beschäftigt.

Nachdem der Film so unerwarteten Zuspruch gefunden hatte, überlegten wir, ob wir nicht doch noch einen dritten Teil machen sollten. Nur hatten wir zum einen weder Zeit noch Menschenmaterial, um das ziemlich dicke Stahlwerk 3 – Drehbuch von vor ein paar Jahren umzusetzen, noch hatte ich große Lust darauf, noch einmal einen straighten Funsplatter-Film zu machen. Also haben Dirk M. Jürgens und ich ein Hörspiel geschrieben (sinnigerweise mit dem Titel Das Hörspielmassaker), dessen Produktion dann mitgefilmt wurde, um daraus dann einen experimentellen Meta-Film zu machen.

Das musste aber erst mal zurückgestellt werden, denn ungefähr zu der Zeit wurden wir gefragt, ob wir nicht eine deutsche Tonspur für Andreas Schnaas‘ Zombie 90 erstellen könnten. Und zwar umsonst. Dirk und ich haben zugesagt, unter einer Bedingung: Wenn wir schon nichts dafür bekommen würden, dann wollten wir uns auch von niemandem reinreden lassen. Der fertige Film hatte konsequenterweise so gar nichts mehr mit dem Original zu tun. Das Ergebnis, so zumindest der enttäuschte Auftraggeber, ist „völlig unlustig.“ Weil es von der Jahreszahl her so wunderbar passte, hieß der Film dann auch nicht mehr Zombie 90, sondern Zombie 09.

So. Damit wären wir in der Gegenwart angekommen. Wenn die Chronik mal danach verlangt, weitergeschrieben zu werden, wir das erledigt, aber bis dahin gibt es alles Aktuellere hier.