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Zum Begriff der Psychotronik

von Kai Krick

Einer der verlässlichsten und besten Wegbereiter auf wenig ausgetretenen Pfaden der abseitigen Filmkultur war und ist der amerikanische Autor und Journalist Michael J. Weldon. Als Fan schräger Filme begann er ab 1977 in verschiedenen Periodika über seine Favoriten zu schreiben, allesamt Produktionen, welche der Mainstream der etablierten Filmkritik und der akademische Bereich ignorierte.

Es waren dies Filme über Rock’n’Roll, Hot Rods und Drogen, Bikerfilme, JDs (juvenile delinquency movies) und WIPs (women in prison films), jede erdenkliche Form von Trash und Genrekino wie Horror, Splatter, Slasher, Science Fiction, Spaghetti-Western, Kaiju Eiga, Abenteuer- und Kriegsfilme, Super-8-, Avantgarde-, Amateur- und Studenten-Filme, Low und No Budget-Streifen, Lehr- und Propagandafilme, alte Serials, Independentproduktionen, Exploitation, Sexploitation, Blaxploitation, philippinische Zombiefilme und mexikanische Produktionen, in denen aztekische Mumien gegen lokale Wrestling-Stars antraten.

Verstärkt an seinen Kritiken zu arbeiten und diese zu sammeln begann Weldon, nachdem er auf Jack M. Sells Low-Budget-PSI-Horror-Trash-Streifen The Psychotronic Man von 1980 gestoßen war. Das Sehen dieses Films war für Weldon so etwas wie ein journalistisches Erweckungserlebnis, was ihm zudem einen Namen für sein Werk liefern sollte.

Ab 1981 gab er dann die 41 legendären Ausgaben seiner Zeitschrift Psychotronic Video heraus, welche sich ausgiebig mit allen Genres und Subgenres befasste, die Weldon unter dem Banner „Psychotronic“ zusammenfasste, „especially forgotten junk“. Oder wie es die Washington Psychotronic Film Society formuliert hat: „Meaning just about everything except the Norm.“

1983 publizierte er schließlich ein Lexikon der abseitigen Filmkultur, in dem er auf 818 Seiten mehr als 3000 seiner Kritiken in Kurzform sammelte, sein Magnum opus, unter dem Titel The Psychotronic Encyclopedia of Film.

Die Washington Psychotronic Film Society – oder das Bochumer Institut für Psychotronik – sind nur zwei von zahlreichen Filmgesellschaften, welche nach 1985 in Folge der Publikation von Weldons Enzyklopädie gegründet wurden. Ab diesem Zeitpunkt wurde „Psychotronic“ ein unter Filmfans gebräuchlicher Sammelbegriff für alle Genres und Schulen des obskuren Kinos, mittlerweile mit eigenem Wikipediaeintrag.

Bei der Gründung unseres Institutes erweiterten wir die Definition von „psychotronisch“ noch um eine Nuance, die auf die ursprüngliche außerfilmische, pre-Weldonesque Bedeutung des Wortes zurückgeht. Mit ‚psychotronischer Technologie‘ bezeichnet man nämlich auch hochkomplizierte Formen von Apparaten, die mit Hilfe des Geistes gesteuert werden können. Darunter fallen zum Beispiel der Cursor eines Computers, der von einer vollständig gelähmten Person mit Hilfe der Gehirnwellen bewegt werden kann, oder die Waffensysteme eines Kampfbombers, welche durch den Wahrnehmungsapparat des Piloten gesteuert zielen und feuern.

Auch umgekehrt wird der Begriff verwendet, zumeist von Verschwörungstheoretikern, die weit außerhalb der Konsensrealität stehen. Haben Sie schon einmal zu vorgerückter Stunde eine Person im öffentlichen Nahverkehr beobachtet, welche einen selbst gebastelten Helm aus Aluminiumfolie trug? Vermutlich versuchte sie sich gegen psychotronische Gedankenkontrolle durch wahlweise den CIA oder Aliens via elektronischer Mittel wie ELF (extremely low frequencies) zu schützen.

Wir verstehen unter „psychotronischen Filmen“, oder dem „somatischen Kino“, wie wir es auch nannten, Filme, mit denen der Zuschauer eine organische Verbindung eingeht, wenn Wahrnehmungsapparat und Projektionsapparat, Leinwand und Netzhaut, Filmkopie und Gehirn eine Einheit bilden – Filme, die über eine bewußtseinserweiternde Wirkung verfügen.

Dies ist jedoch eine problematische und höchst subjektive Definition, und – realistisch betrachtet – gibt es wahrscheinlich ziemlich viele Menschen, man könnte sogar von einer überwältigenden Mehrheit ausgehen – die bei einer Vorführung von Rolf Olsens Ekstase – Horrortrip der Satanssekte keine symbiotische Verbindung mit diesem Meilenstein der deutschen Psychotronik eingehen können – oder möchten.