Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Schräge Vögel

Der Wahnsinn ist der Paradiesvogel unter den Geisteskrankheiten.“ – Walter Moers

Die Folgen

Zum Geleit

Am 25. April 2003 bin ich mit Freunden um die Mittagszeit mit der Bahn von Düsseldorf nach Bochum unterwegs, als ein Mann, etwa Ende zwanzig, in unserem Wagen auftaucht und anfängt, penetrant laut und falsch Querflöte zu spielen. In der Folge geht er durch die Reihen und erbittet sich von den Fahrgästen eine Spende von einem Cent. Mehr will er tatsächlich nicht, er sieht auch nicht aus, als ob er mehr bräuchte, seine Gestalt lässt nicht darauf schließen, dass er ein Gentleman der Straße wäre oder sich regelmäßig illegalen Substanzen hingäbe. Nachdem er den Wagon durchschritten hat, beginnt er wiederum Querflöte zu spielen, wiederum penetrant laut und falsch. Als er seinen Vortrag beendet, kehrt für einen Moment Ruhe ein, dann aber krabbelt der Musiker mit weit aufgerissenem Mund und ebensolchen Augen auf den Knien durch den Zug und verschwindet dahin, wo er hergekommen ist.

Verrückte sind – so sie keine Gefahr für Leib und Leben darstellen – eigentlich was Tolles, und Begegnungen mit ihnen quasi der Zuckerguss auf dem ansonsten eher langweiligen Alltagskuchen. Da wird für einen Moment mal die eigene Wahrnehmungswelt  in Frage gestellt und außerdem hat man hinterher was zu erzählen. Das klingt etwas zynisch, denn natürlich stehen hinter solchen kuriosen Auftritten oft ernste Krankengeschichten und menschliche Dramen, aber: die kenne ich ja nun mal nicht. Und wenn man diese Dramen guten Gewissens ausklammern kann, dann beglückt einen anderer Leute Wahnsinn mit faszinierden Gedankengemälden, die man nie wirklich verstehen wird, aber immerhin staunend betrachten kann.

Das schöne ist, dass man nicht auf solche Zufallsbekanntschaften wie die oben geschilderte angewiesen ist. Viele dieser schrägen Vögel sind sehr mitteilungsfreudig, und wenn sie nicht an Bushaltestellen stehen und irgendwelchen Stuss schreien, dann teilen sie sich mit in Flugblättern, Briefen oder auf Internetseiten. Ich sammle seit Jahren solche Zeugnisse geistiger Umnachtung und habe einen ganzen Ordner voll zusammengetragen, den ich an dieser Stelle nach und nach aufbereiten will.

Mir geht es dabei nicht darum, kranke Menschen bloßzustellen. Deswegen anonymisiere ich in der Regel auch sämtliche persönliche Angaben wie Nachnamen, Adressen und Telefonnummern, wenn es sich nicht grade um absolute Personen der Zeitgeschichte handelt (aber deren Telefonnummern hab ich dann ohnehin nicht). Darüber hinaus sind längst nicht alle der hier Vorgestellten im klinischen Sinne krank – manche sind einfach nur sehr kuriose Persönlichkeiten.