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Amateurfilm, du introvertierter Feigling! (Teil 4)

Ich habe von vornherein gewusst, dass diese Artikelserie nur unfair werden kann. Das liegt nicht daran, dass ich so ein Arsch bin, sondern einfach daran, dass ich quasi bei null anfangen musste. Es gibt meiner Kenntnis nach schlicht keinen Text, völlig egal ob wissenschaftlich, populärwissenschaftlich oder grenzenlos unseriös, der sich speziell mit dem Phänomen der deutschen Amateurfilmszene auseinandersetzt. Dass es, wenn man sich dann mal hinsetzt und daran etwas ändern möchte, zu einem ganzen Bündel loser Enden und möglicher Trugschlüsse kommt, sollte zumindest nicht überraschen. Zum Beispiel:

– Wie passen eigentlich die mindestens seit den frühen 80ern ununterbrochen präsenten Trashfilme und Genreparodien ins Bild, die ich nur ganz am Rande erwähnt habe? Sie entstammen einer komplett anderen Szene, gelten aber gemeinhin als Amateurfilme. Wo sind da die Schnittstellen?

– Ich habe gesagt, dass Violent Shit als Film nicht zu bewerten ist, analysieren ließe er sich aber natürlich schon, zumindest mal hinsichtlich der in den Film eingeschriebenen zeitgenössischen Diskurse. Ich bin allerdings felsenfest davon überzeugt, dass ich dem Oeuvre von Andreas Schnaas bereits mehr als ausreichend Lebenszeit gewidmet habe, das soll also bitte jemand anderes machen.

– Ich habe gesagt, dass sich in Magazinen wie zum Beispiel Splatting Image (in der es eine eigene Rubrik für Amateurfilme gibt) die Dominanz der Horror- und Splatterfilme im Gesamtschaffen deutscher Amateurfilmer widerspiegelt, genau wie es mehr DVD-Veröffentlichungen von Amateur-Horrorfilmen gibt als von Amateurfilmen jedes anderen Genres. Das könnte man mal stumpf empirisch untersuchen.

– Ich habe gesagt, dass „Indigo“ ein Akronym für „Independent International Gore“ ist. Das ist auch richtig, man muss fairerweise aber erwähnen, dass sich das Festival bereits vor Jahren davon verabschiedet hat. „Indigo“ steht jetzt für „Indigo“ und für nix anderes, nichtsdestotrotz liegen die Wurzeln des Festivals natürlich beim Splatterspacken-Film.

– Ich bin nur einmal, 2009, beim Indigo-Filmfest gewesen und danach nicht mehr. Ich kann nicht, zumindest nicht aus erster Hand, beurteilen, ob sich vielleicht was geändert hat, sondern das nur aus der Distanz einschätzen. Vielleicht guckt ja wirklich mittlerweile eine Mehrheit der Anwesenden die Mehrheit der Filme.

– Fakt ist, dass auf dem Indigo längst nicht mehr nur Amateurhorror läuft, man könnte also konstatieren, dass sich die Szene zumindest in Teilen gewandelt hat. Ich würde aber, um jetzt mal vorzugreifen, trotzdem behaupten, dass ihre Verhaltensmuster die gleichen geblieben sind, unabhängig von den produzierten Inhalten.

Um den letzten Punkt zu erklären, muss ich jetzt verdammt lange ausholen (Bleibt trotzdem dran, es gibt ein, zwei coole Videos dazu). Festival-Sprachrohr Michael Valentin schrieb mir als Reaktion auf die ersten drei Teile dieser Artikelserie unter anderem Folgendes:

Und ja, Bardenbach ist am Arsch der Welt. Aber ich treib mich lieber zwei Tage dort im Bürgerhaus rum, als in einem Kino. Weil wir da eben halt auch die Möglichkeit haben, vor der Tür zu stehen, die Leute mit frischem Essen zu versorgen und halt mal zu verschnaufen vom Filmegucken. Wir hatten schonmal das Angebot, nach Saarbrücken ins Cinestar zu gehen. Aber da kann ich mir die Art Festival gar nicht vorstellen.

Diese Argumentation für Bardenbach ist genauso schwach wie die auf der Festival-Homepage, die ich in Teil 1 auseinandergenommen hatte. Da hieß es noch, es würde beim Festival zuvorderst um die Filme gehen, weswegen man diese nicht in einem Kino zeigt, sondern in einem unbequem bestuhlten Vereinsheim. Dass das jetzt auf einmal im Mittelpunkt stehende soziale Miteinander leidet, wenn man das Festival in ein reguläres Kino verlegt, ist ebenfalls unsinnig. Ey, Szenemenschen! Das hier ist das Endstation-Kino in Bochum:

Quelle: Labkultur.tv, Foto: (c) Endstation-Kino

Da passen so um die 120 Leute rein, man sitzt bequem, die Technik ist gut und auf alle denkbaren Formate hin ausgelegt, die Vorführer machen einen exzellenten Job. Die Anbindung an den ÖPNV ist ideal, auch Parkplätze gibt es reichlich. Festivals kann man im Endstation prima veranstalten. Seit einem gefühlten Jahrhundert läuft da Blicke aus dem Ruhrgebiet und ich selbst war in dem Laden fast eine Dekade lang Ko-Veranstalter des Festivals des deutschen psychotronischen Films. Das Beste für Leute wie euch: vor dem eigentlichen Kinosaal ist ein gemütliches zweigeschossiges Café mit vielen Sofas, Rauchen kann man vor dem Kino, eine große Kneipe mit Gastronomie ist nebenan, eine Pizzabude (die aber auch alles, wirklich alles andere anbietet) ist fünf Gehminuten entfernt. Solche Kinos gibt es sicherlich nicht (mehr) an jeder Ecke, aber so unglaublich selten sind sie dann auch wieder nicht.

Ich schreib das nicht, weil ich euch euer Kuhdorf schlecht reden will, sondern um herauszustellen, dass ihr in so einem Lichtspielhaus all das haben könntet, was ihr am Indigo-Filmfest schätzt – bis auf diese eine Sache, auf die es euch meiner Meinung nach eigentlich ankommt: in einem etablierten Kino mit Stamm- und Laufkundschaft wärt ihr nicht mehr unter euch. Da säßen auf einmal Leute im Publikum, die nicht wegen euch da sind, sondern tatsächlich mal wegen der Filme, die sich mit dem, was ihr da macht, auseinandersetzen würden, die, anders als ihr das tut, Kritik an euren Filmen äußern würden, die nicht der Meinung sind, dass es ja schon beklatschenswerte Leistung genug ist, einen Film fertiggestellt zu haben, sondern die unterhalten werden wollen. Leute, die nicht Teil der Szene sind, möglicherweise nicht mal eine Affinität zum Amateurfilm haben. Leute, die euch mit dem Blick von außen beurteilen. Ihr wisst schon: Öffentlichkeit. Seid ihr dafür zu feige, oder was?

Müsst ihr eigentlich nicht sein. Wir hatten auf dem erwähnten Psychotronik-Filmfest jedes Jahr einen Termin für Amateurfilme. Wir hatten unter anderem die Gosejohanns da, Daniel Flügger und Sunny Day Gore und haben Filme gespielt von Leuten wie Markus Hagen und Olaf Ittenbach (Natürlich Premutos – alles andere von dem Mann ist nicht zu ertragen). Kam alles super an, allerdings hatten wir uns mit denen auch die Crème de la crème des Amateurfilms rausgepickt. Ich glaube hingegen nicht, dass man, selbst wenn man die Amateurproduktionen eines ganzen Jahres auswertet, ein Festivalprogramm zusammenstellen kann, das einen Zuschauer ohne Szene-Verbindung unterhält. Und das liegt daran, dass der deutsche Amateurfilm, selbst gemessen an dem Wenigen, was er sich selbst zum Ziel gesetzt hat, schlecht ist.

Davon mehr im nächsten Teil.




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