Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Oh Schreck der heiligen Geister! – Der Zauberfilmdirektor Phil Fox und das Elend von Camelot (Teil 1)

Anm. von Lukas: Mein vielfacher Koautor Dirk ist niemand, der schnell vergibt. Die folgende Geschichte ist zwar mittlerweile einige Jahre her, aber wenn man ihn darauf anspricht, gibt er sich selbst heute noch keine Mühe, seinen blanken Zorn zu überspielen. Seit ich ihn kenne, hat er das Drama um das, was er nur „den anderen Film“ zu nennen pflegt, immer mal wieder am Rande erwähnt, und seit ich an dieser Reihe schreibe, habe ich ihn bekniet, diese abstruse Angelegenheit endlich aufzuarbeiten. Glücklicherweise hat er jeden einzelnen Schnipsel der Posse aufgehoben – das Material füllt zwei Aktenordner. Futter genug für einen überlangen Artikel, den er nichtsdestotrotz in einem Rutsch in die Tastatur dellerte. Da musste was dringend raus. Dirk ist sonst durchaus in der Lage, zusammenhängende Sätze abzufassen, aber in diesem Fall oblag es mir, seinen getippten Wutanfall zu einem für gemäßigte Gemüter nachvollziehbaren Text zu formen. Vorhang auf für Herrn Jürgens:

Unsere Geschichte beginnt harmlos und alltäglich mit einem – wenn ich mich recht erinnere in einem Copyshop gefundenen – Flyer der Rendsburger Musikschule:

Zwar machte mich der mir unbekannte Ausdruck „Filmdirektor“ etwas stutzig, aber was weiß denn ich, was es nicht vielleicht so alles für Berufsbezeichnungen gibt? Es hätte mich auch skeptisch machen können, dass ein Filmkurs in der Musikschule und nicht der lokalen Volkshochschule gegeben wird, aber begierig darauf, mich nach allerlei Comics auch mal in die Welt bewegter Bilder zu betätigen, investierte ich die ersten 31 € und erschien zum vorgegebenen Zeitpunkt am vorgegebenen Ort.

Es war Herbst 2004. Ich ahnte nicht, dass sich das folgende Drama bis zum Sommer 2006 hinziehen würde.

Ich will nicht lügen, beim ersten Treffen fiel mir nichts Verdächtiges auf. Der Kursleiter Phil Fox war ein Australier Mitte Fünfzig mit nicht gerade perfekten Deutschkenntnissen, aber einer Aura charismatischer Sicherheit, die jedem zeigte, er wisse, was er tue.

Außer ihm, den ich hier ruhigen Gewissens benenne, weil, wie ich nachträglich erfuhr, „Phil Fox“ ohnehin ein Künstlername war, werde ich im Folgenden die übrigen Beteiligten anonymisieren und nur nach ihren Rollen bzw. Funktionen im Rahmen der Filmproduktion nennen, da ich jeden verstehe, der nicht mehr mit dieser Sache in Verbindung gebracht werden möchte.

Das Seminar begann mit grauer Theorie, was ja generell nichts Falsches ist. Man erklärte uns Einstellungsgrößen, technisches Fachzeugs, und gab immer wieder Hinweisen darauf, was für ein erfolgreicher Filmemacher Fox sei. Ein Treatment, welches er austeilte, habe, so erklärte er, ihm gerade einen Vertrag in sechsstelliger Höhe mit einem großen Hollywoodstudio eingebracht, zudem habe er bereits über 200 Filme gedreht. Letzteres war nun nicht gerade ein Argument für die Größe seiner Produktionen, da Filmemacher mit einem solchen Ausstoß sich ja zumeist auf dem Feld von Werbespots, Anleitungsvideos und Fortsetzungen von „Heiße Schnitten, hart geschmiert“ betätigen. Auch seine Titel („Dr. Phil F. LLB. MBA. ; Dip. Cinefilm Director ; Dip Cinefilm Producer“), der klangvolle Name seines eigenen Studios „Goldstar“ und seine Mitgliedschaft in der American Director`s Guild (durch das Tragen einer entsprechend bestickten Mütze betont) fielen immer wieder. Zudem habe er in Vietnam gekämpft, sei jahrelang höchst erfolgreicher Anwalt in Hollywood gewesen (nur ein einziger verlorener Fall) und habe einen Pilotenschein. Die Bescheidenheit verbat ihm wohl, auf seine Erfolge als Gehirnchirurg, Astronaut und Penisweltmeister hinzuweisen.

Doch zurück zur Filmarbeit: Basisdemokratisch entschloss man sich für einen Film in deutscher Sprache für eine Zielgruppe von 12-29 Jahren. Was die Länge anging, blieb man erst noch offen, aber Fox hatte durchaus einen echten Neunzigminüter im Sinn, da man diese auf dem internationalen Markt besser vertreiben konnte. Bekanntlich das Kriterium, nach dem Filmkurse arbeiten sollten.

Ein Drehbuch war schnell gefunden – ich hatte eines auf Halde liegen, das ich den Kursteilnehmern vorschlug. Es trug den Titel „Merlins Rückkehr“ und war sicher kein Meisterwerk, aber zumindest eine, wie ich meine, ganz nette kleine Geschichte um die letzten Nachfahren von König Artus und Mordred (dass der Nachfahre Mordreds aufgrund ihrer Verwandschaft AUCH ein Nachkomme Artus’ ist, wurde durchaus thematisiert), die auf einer simplen Prämisse stand: Von wem jemand abstammt hat nichts damit zu tun, was er ist. So war Artus’ Nachfahrin (Mandy geheißen) eine prollige, aggressive Unsympathin, während das Geschlecht Mordreds nach Dutzenden von Generationen zu einem sensiblen Intellektuellen namens Thorsten geführt hatte. Die beiden sollten unter der Leitung Merlins und Morganas um das Schicksal der Welt kämpfen, verweigerten sich aber der letzten Schlacht, so dass unsere Welt so kompliziert blieb, wie sie war. Kein Weltklassedrama, aber für einen viertelstündigen Kurzfilm wohl genügend, und als ich es im Kurs vortrug, wurde immerhin an den richtigen Stellen gelacht.

Fox wartete ab.

Dann nickte er langsam und bedächtig, und mit Profimiene erklärte er mir, das könne klappen… aber nur, wenn man es „tongue in the cheek“ als Komödie bringen würde. Angesichts der eben erlebten Lacher war ich etwas irritiert, was er mir damit sagen wollte, stimmte aber blauäugig zu. Es WAR schließlich eine Komödie, was konnte da schon schief gehen?

Tja.

Es folgten lange, haarsträubende und unfruchtbare Kämpfe um das Drehbuch, deren erstes Opfer mein Glaube in Foxens Professionalität war. Zwei Monate später, im November 2004, lag bereits die neunte Fassung vor. Hier und da hatten mich andere Kursteilnehmer auf in der Tat bestehende Handlungslöcher hingewiesen, aber meist hatte Fox bizarre Wünsche nach Szenen mit Pferden, Burgen und neuen Nebenfiguren, also all dem, was ich mir trotz der Artus-Thematik aus ökonomischen Gründen bewusst verkniffen hatte. Wenn ich etwas änderte, las er es so gut wie nie und erklärte bald auch, er fühle sich von meinen immer neuen Versionen (also der Umsetzung dessen, was er verlangte) unter Druck gesetzt. Profis wie er würden schließlich nicht ständig in ihre Mailbox gucken, es schien ihm sinnvoller, wenn er den Job übernehmen würde. Nächsten Montag 9:00 Uhr spätestens hätte ich seine professionelle Version im Postkasten. Woche um Woche verging, nichts kam, ich vergaß es, wie so viele seiner vollmundigen Ankündigungen, welche Wunder der Kurs angeblich vollbringen würde.

Im Glauben also, noch immer der einzige Drehbuchautor zu sein, sah ich mich in der Landeszeitung dann bald mit einem Aufruf zum Casting konfrontiert:

– Landeszeitung, 16. November 2004

Zauberfilm“? „Jeder kann mitmachen“? Was ging hier vor? Nun gut, Phil Fox‘ mangelnde Deutschkenntnisse hatten wohl zu einer eher unglücklichen Formulierung geführt. Aber auch wenn das Genre des „Zauberfilms“ kein allzu klar umrissenes ist, klang mir das alles doch ziemlich nach Kinderkino – was mein sarkastisches und teils etwas geschmackloses Drehbuch eigentlich nicht gerade vermuten ließ.

Als ich an Ort und Stelle ankam, hatte man den Saal der Musikschule zur Casting-Agentur umdekoriert (damit alles mehr nach Hollywood aussah), hellsichtigerweise mit Filmplakaten zu „Pluto Nash“ – einem Eddie-Murphy-Totalflop, der erst Jahre nach seiner Fertigstellung veröffentlicht wurde. Kaum war ich da, bekam ich eine schnelle Kombo um die Ohren geknallt: Der Raum war fast nur mit Kindern unter zwölf und ihren Eltern (die meist als reine Begleitung gekommen waren) gefüllt und gleich zur Begrüßung gratulierte Fox ihnen und erklärte, dass ALLE in dem Film mitspielen würden. Ich sah mich irritiert um. Das Drehbuch enthielt nicht eine einzige Kinderrolle. Das konnte heiter werden.

Der nächste Schlag war jedoch ungleich härter.

Fortsetzung im zweiten Teil.




8 Kommentare

1) Gregor

16. Dezember 2010, 17:53

Waah! Endlich lesen wir die Story in ihrer ganzen epischen Breite! Ich stell schon mal das Popcorn bereit und warte nägelkauend auf die Fortsetzung.

2) curry

16. Dezember 2010, 21:34

lol! Liest sich spannend. Der Doc hatte das Endprodukt doch schon in er Mangel oder wie… wie auch immer, ich bleib dran…

4) rudi

17. Dezember 2010, 18:24

Als ehemaliger Beteiligter muss ich mal kurz aufhusten. Ich finde es naemlich widerspruechlich in seiner Aufarbeitung auf Anonymitaet zu pochen, nur um in den Comments dann auf den badmovies.de Artikel zu verlinken, wo jeder unschuldige Beteiligte rausgefunden werden kann.
Auch die Tatsache, dass der Artikel ja damals von einem Bekannten von Dirk verfasst wurde, und dadrin jeder Beteiligte mit Namen genannt wird ausser Dirk als Drehbuchautor ist fuer mich bis heute ein wenig mysterioeus, wenn nicht sogar frech. Es ist deswegen frech, weil bei sechs Beteiligten bis heute der erste Googleseitenhit das badmovies.de Review ist, was fuer mich als Filmemacher bis heute noch nachhaengt.
Aber ich stehe zu meinem Muell, weil die ersten 20 Projekte an denen man beteiligt ist eh scheisse werden beziehungsweise sind, und die Geschichte an sich wie der ganze Kurs sich abgespielt hat so abstrus ist, dass sie schon wieder lustig ist und aufzeigt was alles theoretisch und praktisch falsch laufen kann. Denn was alles theoretisch und praktisch falsch laufen kann, ist bei diesem Film auch falsch gelaufen.
Ich freue mich auf die weiteren Teile, gruss rudi.

5) Lukas

17. Dezember 2010, 19:19

@rudi: Zu diesem Müll musst Du nicht stehen, das ist definitiv nicht Deiner – und wie der erste Teil hoffentlich schon andeutet, wirst weder Du noch einer der anderen Kursteilnehmer hier schlecht wegkommen. 😉
Den Link auf den Bad-Movies-Artikel habe weder ich noch Dirk gesetzt. Was die Namen dort angeht: Doc Acula von Bad Movies ist zwar eine lahme Sau, aber schreib ihm mal ’ne Mail, dann sollte Dein Credit da früher oder später verschwinden.

6) DMJ (also…Dirk halt)

17. Dezember 2010, 21:28

Na so eine Überraschung! 😉
Ja, die „Nennungungleichheit“ war mir auch schon aufgefallen, aber der Doc hat die Credits direkt von der VCD des Film übernommen und da ich meinen Namen rechtzeitig davon zurück gezogen hatte (in einem endlosen und wirren Emailverkehr damals), war ich halt aus dem Schussfeld.
Aber wie gesagt, er nimmt die Credits sicher auch gerne ganz raus (was ja schon an sich wieder amüsant ist), da man sich ja nun wirklich nicht mit fremden Sünden beladen muss.

7) Lukas

17. Dezember 2010, 22:21

Die Credits auf Badmovies sind inzwischen ersetzt durch ein so simples wie wahres „The names stay secret to protect the innocent“. Das ging mal schnell. 😀

8) Dietmar

18. Dezember 2010, 11:12

*ungeduldig auf Teil 2 wart*

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