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Fantasy Filmfest 2011 – Tag 8

The Prey The Mortician 3D Sex & Zen: Extreme Ecstasy Grave Encounters Deadheads

The Prey / La Proie

Der Bankräuber Franck ist kein schlechter Kerl. Er sieht nicht weg, sondern beschützt seinen schmächtigen Zellengenossen Jean-Louis vor den Zugriffen der anderen Gefangenen. Kindermörder sind im Knast nun mal nicht gut gelitten. Dann aber wird Jean-Louis entlassen, weil sich die Anschuldigungen als falsch herausstellen, Franck gibt ihm eine Nachricht an seine Frau mit – und macht damit einen Fehler, der ihn zum Ausbrechen zwingt.

The Prey führt den unvorbereiteten Zuschauer hinters Licht: was als Überleben-im-Knast-Drama beginnt, ist nur das Setup für einen gut geschriebenen, spannenden Action-Krimi á la Auf der Flucht mit einigen vollkommen haarsträubenden Stunts. The Good.

The Mortician

Der Leichenwäscher einer verfallenen Metropole im Süden der USA wird aus seinem Alltag gerissen, als das Tattoo einer jungen Toten Erinnerungen an seine Mutter weckt und ein Gang-Mitglied seine Sozialstunden als sein Assistent ableisten soll.

Kurz nach der Premiere von Apocalypse Now soll Francis Ford Coppola mit völlig zugekokster Birne bei einem seiner Kollegen angerufen haben, um ihm mitzuteilen, dass er eine Verfilmung von Goethes „Wahlverwandtschaften“ plane. Neun Stunden lang und in 3D. So ähnlich mutet auch The Mortician an – den verdienten Wu-Tang-Rapper Method Man als Pathologen in einer zurückgenommenen Ghetto-Geschichte zu besetzten, ist schon eigenartig genug. Die dann aber auch noch in 3D zu drehen, ist schlichtweg behämmert. Die 3D-Technik in The Mortician ist die vollkommen sinnloseste, ungerechtfertigste, die ich je gesehen habe. Nicht besonders gut ist sie obendrein. Überhaupt hat der Film mit handwerklichen Macken zu kämpfen, Method Mans enormer Bartwuchs zum Beispiel ändert sich praktisch von Einstellung zu Einstellung. Das wäre nicht weiter erwähnenswert bei einem ansonsten gleungenen Film, bei The Mortician ist die Technik dagegen das letzte KO-Kriterium für einen Streifen, der in einem furchtbaren Schnarchtempo erzählt wird, dessen Geschichte so banal und unspektakulär ist, dass sie einen Film einfach nicht rechtfertigt, und dessen Macher vom Drehbuchschreiben keine Ahnung haben. Man stellt nicht lang und breit vor, dass der Leichenwäscher in seiner Freizeit Tiere präpariert, um das dann in die Schublade zu stecken und nie wieder zu erwähnen. Man lässt einen Film nach dem Showdown nicht noch zwanzig Minuten weiterlaufen und tackert einen Schluss an, der zu dem zuvor Gesehenen nur vage in Bezug steht. Man behauptet am Ende eines Films nicht dreist, dass die Hauptfigur ihre Passivität überwindet und ihr Leben in die Hand nimmt, wenn der Film dafür keinen Anhaltspunkt liefert und diese Figur sogar im Showdown nur passiver Beobachter geblieben ist.

Am interessantesten an The Mortician sind noch die Bilder aus den Südstaaten, aus einer Gegend, in der es offenbar seit Generationen nur Verfall gibt. Aber für so was gibt es Dokus. The Bad.

(Einen Trailer habe ich bislang nicht ausfindig machen können)

3D Sex & Zen: Extreme Ecstasy / 3D rou pu tuan zhi ji le bao jian

In Ermangelung einer Geschichte, die ich noch irgendwie sinnvoll zusammenfassen könnte, folgt hier ein Kaleidoskop von Eindrücken aus dem Film: Alles ist bunt und sieht aus wie in einem klassichen Hongkong-Fantasyfilm, nur kitschiger. Ein Mann lässt sich einen Eselspimmel anoperieren. Ein Zwitterwesen führt mit seinem Gemächt ein paar Martial-Arts-Kunststücke vor. Ein Kunstsammler hat in seinem Harem ein Bild, das sich in eine Frau verwandelt und eine Maschine, die Frauen die Vagina zerfetzt. Viele Dolche fliegen in Zeitlupe durch die Gegend. Sex an fliegenden Ketten. Leute explodieren. Sicherlich stehen diese Dinge alle irgendwie miteinander in Verbindung, nur wie, das ist mir nicht mehr klar.

3D Sex & Zen fängt an, als wäre er ein richtiger Film: es wird eine Geschichte erzählt, Figuren eingeführt, mit ein paar Gags Sympathie aufgebaut. Ungefähr eine halbe Stunde lang geht das gut. Dann nervt es nur noch. Die Comedy-Einlagen nerven, das pausenlose Lustgequieke der Frauen nervt, das 3D mit den kaum kopfschmerzfrei lesbaren Untertiteln nervt, die billigen CGI-Effekte nerven, die schwachsinnige, unübersichtliche Story nervt, alles nervt, nervt, nervt.

Darüber hinaus ist 3D Sex & Zen ein Sexfilm für Menschen, deren erotische Vorlieben um Vergewaltigung und Prostitution kreisen. Ich drehe niemandem einen Strick aus seinen sexuellen Phantasien, aber es ist pathologisch, wie hier eine Welt beschworen wird, in der Frauen verfügbar sind und nichts zu sagen haben. Das hat nichts mehr mit Fetischen zu tun, sondern mit Machtphantasien, innerhalb derer Sexualität nicht mehr Selbstzweck ist, sondern eine unterdrückende Funktion hat. Die Welt, die 3D Sex & Zen dabei aufbaut, ist hermetisch; es gibt nicht einen ironischen Bruch, nicht eine Szene, die klarstellen würde, dass das, was da stattfindet, ein symbolisches Spiel wäre. Es ist ein Körper-Utopia für wirklich unangenehme Zeitgenossen, und damit trotz fehlender expliziter Szenen nichts als ein Porno der kranken, traurigen Art, ein verlogener Drecksfilm, der zum Ende behauptet, Körperlichkeit wäre nicht so wichtig und wahre Liebe könne ihre Erfüllung auch in Enthaltsamkeit finden – das allerdings als Moral eines Aufgeilfilms, gedacht für Menschen, die ich hoffentlich nie kennenlerne.

Nicht mal als Trashfilm funktioniert 3D Sex & Zen, trotz zahlreicher exploitativer Was-zum-Teufel?-Momente, trotz blanker Brüste und blutiger Matschereien: das traditionell feierwillige FFF-Publikum war nach spätestens der Hälfte des Films ermüdet und verzichtete auch bei derberen Geschmacklosigkeiten auf den sonst üblichen Szenenapplaus. The Bad.


Grave Encounters

Grave Encounters war eine Reality-Show, in der sich ein Kamerateam für jeweils eine Nacht in berüchtigten Spukhäusern einschließen lässt und dort nach paranormalen Ereignissen sucht. Fünf Folgen wurden abgedreht, aber als das Team für die sechste Folge eine leerstehende Nervenklinik aufsuchte, ging etwas schief. Der Film Grave Encounters ist ein Zusammenschnitt des Materials, das man später auf den Festplatten fand – das zumindest erklärt uns der Prolog.

Knapp anderthalb Jahrzehnte nach Blair Witch Project lassen sich ein paar typische Muster des Reality-Geisterfilm-Subgenres ausmachen: erstens haben sie alle das selbe kleine Logikloch: warum filmen die Protagonisten noch mit, wenn dann irgendwann die Post abgeht, anstatt den Ballast, den die Kameras darstellen, einfach loszuwerden? Zweitens haben diese Filme nie viel zu erzählen. Der Motor der Geschichte sind nicht die Beziehungen der Figuren untereinander, sondern der nächste Schreckmoment, auf den dann immer und immer wieder ein krasserer draufgesetzt werden muss. Es sind Geisterbahnfahrten, die mit ihren Horrorsituationen stehen und fallen. Grave Encounters bietet kaum etwas, was man in diesem Genre noch nicht gesehen hat, aber anders als zum Beispiel beim schnarchigen Paranormal Activity ist das, was er bietet, sehr effektiv. Der Film nutzt gnadenlos Urängste aus, vor der Dunkelheit, vor unübersichtlichen Räumen, vor dem Unbekannten, das jederzeit hinter einem lauern könnte – schließlich sehen wir die Situation fast ständig aus der Perspektive der Kameraleute. Auch ansonsten macht der Film alles richtig: bevor das große Schreien und Zittern beginnt, behält er Bodenhaftung, weil das Fernsehteam selbst nicht an Geister glaubt, sondern einfach nur eine gute Show abliefern will, er baut eine sehr unangenehme Atmosphäre auf, in die sich der Horror erst langsam einschleicht, und als dann die Hölle losbricht, sind seine Scares so fies, dass Grave Encounters der erste Film seit langem ist, bei dem ich einige Male vor Schreck fast aus dem Kinosessel gerutscht bin. The Good.

Deadheads

Als Mike erwacht, ist er ein wenig blass im Gesicht und verliert das eine oder andere Körperteil – kein Wunder nach drei Jahren des Todseins. Anders als seine Zombie-Artgenossen aber ist er nicht verblödet, sondern weiterhin aller seiner Sinne mächtig, und anstatt Menschen zu fressen, macht er sich lieber auf den Weg, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen. Sehr zum Unmut des Gentech-Unternehmens, aus dem er geflüchtet ist, und das ihm ein Jagdkommando auf den Hals hetzt.

Alle Jahre wieder taucht eine Zombie-Komödie auf dem Fantasy Filmfest auf, die dem ausgelutschten, abgenagten Genre doch noch irgendeine neue Facette abgewinnt. Hier sind es intelligente, freundliche Zombies, die niemandem was Böses wollen. Das ist hübsch, aber aus dieser Grundidee der Umkehrung der Verhältnisse, mit den Zombies als den Guten und einer feindlichen Gesellschaft in der Überzahl macht Deadheads leider nicht all zu viel. Stattdessen schindet er Zeit mit Szenen, die die Handlung nicht voranbringen und Figuren, die letztendlich überflüssig sind und leistet sich all zu viele Gags, die nicht so richtig zünden wollen.

Zum Ende hin aber wird der Film auf einmal immer emotionaler und agiler. In den letzten zwanzig Minuten passiert mehr als in den achtzig zuvor, machen die Figuren Entwicklungen durch, setzt der Film nicht mehr nur auf Situationskomik und Splatstick. Würde Deadheads dieses Tempo und dieses Drama über die komplette Länge durchhalten, wäre er ein großer Wurf, so ist er immerhin ganz passable Unterhaltung für zwischendurch. The Durchhschnitt.



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4 Kommentare

1) Peroy

25. August 2011, 03:04

Also ist „Grave Encounters“ konträr zum Wortvogel-Verriss doch ein guter Film. Der „The Silent House“ dieses Jahres… ?

2) Gregor

26. August 2011, 23:40

Der Seitenhieb gegen „Paranormal Activity“ gefällt.

„Ein Mann lässt sich einen Eselspimmel anoperieren. Ein Zwitterwesen führt mit seinem Gemächt ein paar Martial-Arts-Kunststücke vor. Ein Kunstsammler hat in seinem Harem ein Bild, das sich in eine Frau verwandelt und eine Maschine, die Frauen die Vagina zerfetzt. Viele Dolche fliegen in Zeitlupe durch die Gegend. Sex an fliegenden Ketten. Leute explodieren.“
Lustig hört sich das ja schon an.

3) Lukas

27. August 2011, 16:16

Ja, nicht? Leider ist das Lustig-Potential aus den oben genannten Gründen ziemlich schnell verbraucht, und „3D Sex & Zen“ ist keine erträglichen 85, sondern brutale 118 Minuten lang.

4) John

2. September 2011, 23:22

Ich weiß, wie Sex & Zen hätte besser sein können: indem Grum mitspielt. Den 3D Effekt hätte man mit der Videocube auch besser machen können.
http://www.youtube.com/watch?v=l7UYVqeEytk
Leider habe ich nur wenig von dem Film verstanden, aber die Brüste warn doch schöön.

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