Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Superchristen (Teil 3)

Hinweis: Aufgrund von Wutanfällen bei der Abfassung sind Teile dieses Textes in GROSSBUCHSTABEN gesetzt. Ich bitte um freundliche Beachtung.

Luden für Jesus

Setzen wir doch einfach mal nahtlos fort – ungelogen nur zwanzig Meter hinter der Jesusomma wurde mir von einem anscheinend gerade erst dem Teenager-Alter entfleuchten Strahlemann dieses Faltblatt überreicht:

Oder dieses hier:

Vielleicht auch dieses:

…offen gestanden weiß ich nicht mehr, welches es nun konkret war. Die Urheber der Blätter sind die Juden für Jesus, und seit Jahren startet diese Bande immer mal wieder eine Glaubensoffensive und verteilt ihr Bla und Blubb über Wochen hinweg an jeder Ecke, an jeden, der nicht schnell genug „Ich habe eine Schusswaffe dabei und bin zu allem fähig“ schreit. Allein im vergangenen Sommer wurde mir an der Bochumer Uni innerhalb einer Woche ein halbes Dutzend dieser Jesus-Werbezettel aufgedrängt, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch ein paar weitere schlicht verschlampt habe. So penetrant angeboten werden sonst nur Zeitschriftenabos, Mobilfunkverträge und Crack. Was also soll der ganze Terz?

Die Juden für Jesus sind nur dem Namen nach Juden. Es handelt sich um ein Missionswerk, das aber nicht einfach Ungläubige bekehren will (wie z.B. unsere Freunde von der Straßenmission), sondern zuvorderst versucht, Juden zur Konversion zum Christentum zu bewegen. So wird auf den meisten der Faltblätter explizit damit geworben, dass der Goy an der Judenhotline auch Russisch spricht, schließlich kommen Juden hierzulande mittlerweile mehrheitlich aus den ehemaligen Sowjetstaaten.

Anderer Name, gleiche Geschichte.

Und diese Fixierung auf die Konversion ist vermutlich auch der Grund für den Zettel-Overkill, denn in Deutschland Juden zum Christentum bekehren zu wollen, ist ein bisschen, als wolle man Eulen nach Athen tragen, oder vielmehr, als wolle man z.B. Schleiereulen in Schnee-Eulen umwandeln, in einem Land, das seine Schleiereulen-Bestände vor kurzem noch systematisch auslöschen wollte – es gibt, der Zuwanderung aus dem Osten zum Trotz, schlicht nicht mehr viele von der Sorte, weswegen man (um bei ornithologischen Allegorien zu bleiben), mit Kanonen auf Spatzen schießt. An der bei den Verteilern offensichtlich beliebten Ruhr-Uni dürften, rein rechnerisch, von 30.000 Studierenden weniger als hundert dem jüdischen Glauben angehören. Ich gehöre zur letzten Generation von Schülern, die im Mathe-Unterricht nie mit Stochastik behelligt worden ist, deswegen kann ich keine Aussage dazu treffen, wie wahrscheinlich (oder eher unwahrscheinlich) es ist, dass man als Jude für Jesus nun ausgerechnet einem/r jüdischen Studierenden einen Zettel in die Hand drückt, aber vielleicht pickt man sich ja einfach die mit auffälligen Nasen raus.

Weil ich ohnehin nicht mehr weiß, welches Faltblatt ich am bewussten Sommertag bekommen habe, greife ich mir einfach mal eine kleine Auswahl aus dem Fundus:

Na, das nimmt mir ja direkt jeden Wind aus den Segeln – normalerweise würde ich den Zettel vor den Augen des Zettelverteilers zusammenknüllen, den Kerl bei der Gurgel packen und ihm seinen Wisch in die Kehle stopfen, aber bei so viel augenzwinkernder Selbstironie – hi hi –kann ich denen doch nicht böse sein. Und die sind immer so! Eine Freundin von mir hat eine Weile in einer Buchhandlung gearbeitet, vor der die JfJ regelmäßig „Kumbaya My Lord“ schmetternd campierten und dann heimlich ihre Zettel in die vor dem Geschäft ausliegenden Bücher-Angebote legten. Eine total schräge Aktion! Ein anderes mal warf besagte Freundin ein ihr aufgedrängtes Papier umgehend wieder weg, woraufhin ihr eine Jesusjüdin hinterherrannte und ihr eine Hand in der Tragetasche versenkte. Nicht um etwas zu klauen, nein, sondern um dort einen Flyer zu deponieren. So sind sie drauf, diese quirligen JfJ – halt komplett anders, frech und witzig. Da kann ich ja gar nicht anders, als das Schriftstück aufzuklappen undVERFLUCHTESCHEISSEIHRPSEUDOJUDENICHHASSEEUCHJETZTSCHON:

Den wie von einem pädophilen Primarschullehrer hingeschmierten Bildchen nach peilt ihr Juden für Jesus also sinnvollerweise die Zielgruppe der kleinen Kinder und totalen Vollidioten an – halbtotale Vollidioten dürften noch durchschauen, worauf dieser „Test“ hinauslaufen soll. Wisst ihr, was ICH liebe, JfJ? Meinen körpereigenen Bullshit-Sensor. Soll ich euch mal erklären, wofür der gut ist und was der jetzt grade macht?

Na schön, was kann man denn da so ankreuzen?

… nee, oder?

„Hm, wir haben hier noch eine Zeile frei, Itzhak. Was kann man denn sonst noch lieben?“

The Whoopie Purple Picture Show

„Keine Ahnung, Shlomo. Sex? Drogen? Rock’n’roll? Auf sowas stehen die Menschen doch.“

„Das ist viel zu unanständig, da male ich aber kein Bild zu.“

„Wie wär’s mit ‚Die Farbe Lila‘? Voll der Kultfilm!“

„Kultfilm? Meinst du echt?“

„Klar Mann, ‚Die Farbe Lila‘-Partys in jeder Stadt! Kennt man doch! Den LIEBEN die Leute“

„Okay, schlecht war der nicht, eine angedeuteten Lesben-Szene gab’s auch…“

„Nur nominell, Shlomo. Guck dir Whoopie Goldberg mal genauer an, ich bin mir sicher, dass sie in Wahrheit ein Mann ist.“

Oder meinen die etwa… Ach nein, Blödsinn.

Hab ich’s nicht gesagt?

Ach du Scheiße!

Genau. Comicnerds, Computerfreaks, irre Christen – im Grunde alles religiöse Fanatiker. Ein ganz normaler, akzeptierter Aspekt unserer Gesellschaft. Muss man ja nicht so ernst nehmen.

Habt ihr auch nur EIN mal einen DC-Fan erlebt, der per Selbstexplosion versucht, das Marvel-Verlagsgebäude einzuäschern? Oder wenigstens jemanden in der Stadt gesehen, der Flugblätter verteilt, auf denen er Passanten stolz seinen frisch gemoddeten PC erklärt?

Auf die Punchline bin ich gespannt. *umblätter*

WO IST DAS WAS ANDERES? Ihr habt eine Seite davor noch eingeräumt, dass ihr religiöse Fanatiker seid (und schreibt es hier noch mal). Ihr habt eine Seite davor Fanatismus dahingehend problematisiert, dass jemanden etwas ZU SEHR beschäftigt. Ihr WISST offensichtlich, was man gemeinhin mit religiösem Fanatismus assoziiert. Ihr erklärt darüber hinaus rätselhafterweise, dass „religiös“ entweder was mit Religion zu tun hat oder auch nicht, und raunt dann noch händereibend, dass religiöser Fanatismus das Potenzial hat, uns alle zu infizieren. Wenn ihr das alles einem vernünftigen Menschen glasig lächelnd ins Gesicht salbadert, wird der die Kinder verstecken und ein Antiterrorkommando rufen. Ihr habt da eine sehr besorgniserregende Selbstbeschreibung abgeliefert und glaubt nun, das wäre alles halb so wild, WEIL IHR EUREN SPLEEN ANDERS NENNT? Entschuldigt mich bitte kurz, ich gehe schnell in den Stadtpark, vergewaltige Irgendjemanden und erkläre meinem Opfer anschließend, das sei nur „Überraschungsliebe.“

So groß wie ein Haus: Gott.

Eine erzürnte, die Flugsicherheit gefährdende Gottheit lässt sich übrigens befrieden, indem man ihr die treusten ihrer Anhänger als Opfergaben über den Kraterrand schubst. Wie wär’s, JfJ?

Merkt ihr selbst, ne? Sonst noch was?

JA SOLL ICH MIR DEN QUATSCH MIT IN DEN SARG LEGEN LASSEN, ODER WAS?

Nächster Flyer, bevor ich mich vergesse:

Da nicht für. Den Zettel hab ich nicht von euch bekommen, den hab ich aus einer dreckigen Pfütze gefischt, in die ihn irgendein vernünftiger Zeitgenosse geworfen hat (daher auch der leicht angeschmuddelte Zustand). Das macht mich nicht zu einem „gütigen Menschen“, sondern allenfalls zu einem etwas merkwürdigen.

Nicht alle Menschen sind beschäftigt, fleißig und aktiv. Mir zum Beispiel lässt der Alltag genug Zeit, ausufernde Artikel über verrückte Christen zu schreiben. Wenn aber die einzige Reaktion, die ihr bei euren Flyerempfängern antizipiert, trotzdem „eilges Weitergehen“ ist, dann würde ich mir an eurer Stelle mal Gedanken machen.

Das heißt, ich muss mir nur mal eine Goethe-Gesamtausgabe in den Schrank gestellt haben, um ein „gütiger Mensch“ zu sein?

HABT IHR SIE NOCH ALLE BEIEINANDER?

Weiter geht’s nach schon bekanntem Muster:

Das war’s dann wohl mit dem Reclam-Ablass.

Na prima, dann ist es ja auch egal, was ich auf Erden so treibe, nicht?

Ich bin also ein gütiger, aber auch hinterhältiger und verschlagener Mensch, ja? Das ist immerhin mal ein dreidimensionaler Charakter.

Ach was? Soll ich mal raten?

Wenn ihr echte Juden wärt, wäre das natürlich lustiger.

Ihr selbst seid nicht die belesensten, gütigsten Menschen, was?

Gut. Wir haben jetzt ein paar religiöse Fanatiker mit einer Affinität zum frühen Spielberg und zu Vulkanologie, sowie mit erschreckend präziser Kenntnis hinsichtlich meines Geisteszustands und mit einigen orthographischen, respektive gütigen Schwächen. Aber irgendwas fehlt noch, um uns den Laden so richtig nachhaltig unangenehm in Erinnerung zu halten, oder?

Fortsetzung folgt.




4 Kommentare

1) Damien Crowley

23. November 2010, 11:30

Und wieder musste ich lange, laut und dreckig lachen. Danke dafür.
Los, schnell den nächsten Teil bitte.

2) CrazyEddie

28. November 2010, 23:57

Yeah. Ich hab mich beeimert vor Lachen. Danke dafür. Un ich schließe mich dem Herrn Crowly an!

3) Dietmar

29. Dezember 2010, 03:32

Genial! Ich musste laut lachen!

4) bea

8. Dezember 2011, 09:02

haha.. geil…

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